Grantig, weil geschlechterspezifische Diskriminierung Alltag in Österreich ist

Greta Pomberger

07/09/2024

Sujet zum Beitrag

Manchmal ist das Fass einfach voll. Das passiert, wenn wir täglich die geschlechterspezifischen Diskriminierungen in Österreich beobachten können. Weist dann eine Person auf bestimmte Missstände hin, wird sie meist nicht ernstgenommen, verspottet oder angefeindet. Wir schauen uns diesen Monat daher ein paar Beispiele für geschlechterspezifische Diskriminierung an, die Frauen* und Mädchen* in ihrem Alltag beeinflussen. Also vor allem an alle anderen: Jetzt gut aufpassen!

 

Männer pinkeln gratis – Frauen müssen zahlen!

Beginnen wir mit einem recht aktuellen Fall: So passiert diesen Sommer in Wien. Eine Wienerin hat sich an die Kleine Zeitung gewandt, nachdem sie das Filmfestival am Wiener Rathausplatz besucht hatte. Was sie dort bei den Toiletten erwartet hat, hat ihr zurecht sauer aufgestoßen. Während die Frauen dort 50 Cent für den Toilettengang zahlen mussten, konnten die Pissoirs vor Ort gratis genutzt werden. Die betroffene Wienerin fasst richtig zusammen, dass sie grundsätzlich gerne bereit sei, für die Toilettennutzung zu bezahlen. Dies müsse dann aber für alle Menschen gelten und nicht nur für Menschen mit Uterus. Diese können sich naturgemäß nicht aussuchen, ob sie auf das Pissoirs gehen oder eine Kabine benützen möchten. Laut der Kleinen Zeitung sei diese Form von geschlechtsspezifischer Diskriminierung auch vor Kurzem bei einem Fest der Landjugend in der Weststeiermark vorgekommen.

 

„Mütter dürfen eh stillen, nur eben nicht öffentlich.“

Ich werfe mal provokant in den Raum, dass alle, die das hier lesen, schon mal Babys waren, deren Grundbedürfnisse gestillt werden mussten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Naja, und dennoch ist es laut neuesten Umfragen noch immer so, dass 1 von 10 Frauen ihr Kind nicht öffentlich stillt, weil sie sich unwohl fühlen und belästigt werden. Diese Belästigung äußert sich durch Blicke und Worte anderer Personen. Das Resultat? Mütter, die stillen, haben es schwerer. Sie können nicht frei am öffentlichen Leben teilnehmen und sind somit diskriminiert. In einem weiteren Bericht der Kleinen Zeitung zum Thema wird eine Mutter zitiert: „Ich war mit meinem ersten Kind in einem Café, es war gerade drei Monate alt, und ich habe es gestillt. Da kam ein Mann her und hat gefragt, ob er auch mal ran darf“. Das muss eine ganz schlimme Erfahrung für die Mutter gewesen sein. Daher mein Reminder an alle grenzüberschreitenden Josefs, Gerhards etc. da draußen: Ihr wart auch mal Babys, die Hunger hatten. Heute seid ihr Erwachsene, die klug genug sein sollten, Stillen nicht zu sexualisieren, sondern schlichtweg als das zu sehen, was es ist: Die Befriedigung des Grundbedürfnisses eines Kindes. Denkt mal drüber nach.

 

Frauen leben auch in der Stadt – eingeplant werden sie erst seit Kurzem

Was ich damit meine? Unsere Stadtplanung ist an Männer und ihre Tätigkeiten und Bedürfnisse angepasst. Erst seit ein paar Jahren wird dieser Fakt auch öffentlich diskutiert und kritisiert. Spannend: Dabei gibt es sogar mehr Frauen* in der Bevölkerung als Männer.
Und trotzdem ist die Stadt- und Verkehrsplanung für Kraftfahrzeuge und nicht für Eltern, Kinder, Fußgänger*innen, Radfahrer*innen sowie Menschen mit Behinderungen ausgelegt. Forschungen zeigten, dass Frauen meist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Männer legen doppelt so viele Kilometer wie Frauen mit dem Auto zurück. Außerdem müssen Frauen noch immer die meiste Care-Arbeit übernehmen und daher im Alltag viele kurze Strecken bewältigen, um ihren Berufsalltag, die Care-Arbeit und ihre Freizeit unter einen Hut zu bringen. In unserer patriarchalen Gesellschaft hatten bisher eben nicht Personen, die für die Care-Arbeit zuständig sind, die Planung inne, sondern meist privilegierte Männer, die andere Personengruppen in deren Planung oftmals „vergessen“ haben. Blöd nur, dass diese Art der Stadtplanung nicht nur Frauen* und Menschen mit besonderen Bedürfnissen diskriminiert, sondern auch äußerst schlecht für unser Klima ist. Gottseidank wandelt sich auch unsere Gesellschaft und Männer übernehmen immer öfter Care-Arbeiten. Das heißt, dass nun auch sie von dieser unfairen Stadtplanung betroffen sind. Ein Umdenken zugunsten einer Stadt und eines Verkehrs für alle Menschen wäre daher auch für diese Personengruppe von Vorteil.

 

Künstliche Intelligenz, gar nicht mal so intelligent, wenn es um Gender geht.

Ich gehöre jedenfalls zu Fans von Künstlicher Intelligenz (KI). Was mich aber wirklich ärgert, ist, wie gebiased diese Anwendungen sind. Das beginnt bei der Wortwahl der Anwendungen und endet bei Entscheidungen, die sie für uns Menschen treffen. Diese Gender-Bias in KI-Anwendungen ergibt sich, wenn diese KI-Systeme mit Daten trainiert werden, die geschlechtsspezifische Vorurteile enthalten. Die Folge ist, dass KI-Systeme Frauen und andere marginalisierte Gruppen benachteiligen. Umso wichtiger ist es, dass diese KI-Systeme mit Informationen gefüttert werden, die alle Menschen losgelöst von Rollenbildern betrachten. Ansonsten passiert eine Diskriminierung von Menschen. Manche Unternehmen verwenden bereits KI-Anwendungen, um Bewerbungsverfahren oder Kreditvergabeverfahren abzuwickeln und entsprechend Entscheidungen zu treffen. Dabei werden Frauen systematisch benachteiligt und Klischees und Rollenbilder weitergegeben. Kurz gesagt: Algorithmen, mit denen KIs arbeiten, sind meist sexistisch.

Ein ähnliches Thema, das mir dazu schon länger auf dem Herzen liegt, sind Sprachassistenz-Anwendungen wie „Alexa“ und „Siri“. Beim Namen beginnt das Trauerspiel eigentlich schon. Wer dachte eigentlich, es wäre moralisch nicht verwerflich, diesen Programmen mehrheitlich weiblich konnotierte Namen zu geben und sie mit einer weiblichen Stimme auszustatten? Die Hauptaufgabe dieser Sprachassistenz-Programme ist es nun mal, uns zu dienen, (fast) egal, worum es geht und was wir als Nutzer*innen von ihnen wollen. Und das alles lasse ich nun so stehen. Ihr merkt bestimmt selbst, was ich damit sagen will… Abschließend noch ein unlustiger „Fun-Fact“. Es gibt doch ein paar männliche Stimmen unter den Sprachassistent*innen. Diese sind aber auch von traditionellen Geschlechterrollen geprägt und kommen in Bereichen vor, wo die Anwender*innen die Assistenz als „kompetent“ wahrnehmen sollen. Zum Beispiel ist das der Fall bei Finanzberater-Sprachassistenzen.

 

Wie du dich wehren kannst

Das Wichtigste, was ich euch mitgeben möchte, ist, dass ihr euch an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark wenden könnt, wenn ihr euch beraten lassen möchtet. Es gibt nämlich sehr wohl rechtliche Möglichkeiten, um gegen Diskriminierungen rechtlich vorzugehen.

Außerdem kann ich wie bei den meisten meiner Blogkommentare nur auch hier wieder betonen, dass dieses Thema Öffentlichkeit braucht. Thematisiert Ungerechtigkeiten. Am besten geht das gemeinsam mit anderen Menschen, die auch betroffen sind, oder diese Ungerechtigkeiten genauso nicht hinnehmen möchten. Nur wenn wir weiterhin kämpferisch bleiben, können wir unserer Gesellschaft helfen, sich zu wandeln.

Bis eines Tages alle Menschen mitgedacht, mitgemeint und mit dabei sind! Und bis dahin bleibe zumindest ich grantig.

Quellen:

Kleine Zeitung- Artikel „Frauen zahlen fürs Klo, Männer pinkeln gratis“

Kleine Zeitung- Artikel „Wer eine stillende Mutter nicht erträgt, sollte hinterfragen, ob nicht bei ihm/ihr etwas schiefgelaufen ist“ und „Stillen in der Öffentlichkeit: „Ein Mann hat gefragt, ob er auch mal ran darf“

Wiener Zeitung – Artikel „Eine Stadt, gemacht für Frauen?“

Deutsche Unesco-Kommission „Assistenzprogramme haben meist eine weibliche Stimme, Finanzberatungsprogramme häufiger eine männliche“

Frankfurter Rundschau „KI auf Sexismus trainiert? So diskriminiert die Technik“

 

 

 

 

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