Die aktuelle Evaluierung der GREVIO-Kommission (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Österreich bestätigt die Wahrnehmungen und Forderungen einiger heimischer Expert*innen. Österreich hat einige Fortschritte im Gewaltschutz gemacht, Mängel gibt es aber sowohl bei den (fehlenden) gesetzlichen Grundlagen als auch bei der Umsetzung in der Praxis. Es gibt daher für Österreich ganze 39 Empfehlungen zur weiteren Umsetzung der Istanbul-Konvention von der GREVIO-Kommission.
Die Istanbul-Konvention ist ein internationales Abkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen* und häusliche Gewalt. Erfreulicherweise ist die Konvention seit 2023 in der gesamten EU geltendes Recht und muss demnach von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Zur Istanbul Konvention gehört auch die vorgesehene Evaluierung der Vertragsstaaten durch die besagte GREVIO Kommission. Österreich wurde nun bereits zum zweiten Mal hinsichtlich des Gewaltschutzes überprüft.
Wo ist der nationale Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen*?
Einer der zentralen Kritikpunkte der GREVIO-Kommission (sowie von nationalen Gewaltschutz-Expert*innen) ist, das ein rechtsverbindlicher Nationaler Aktionsplan gegen alle Formen von Gewalt gegen Frauen*, wie er in der Istanbul-Konvention gefordert wird, in Österreich noch immer nicht existiert. Ein solcher Plan ist aber entscheidend, um eine einheitliche und koordinierte nationale Strategie zur Bekämpfung von Gewalt umzusetzen.
Fehlende Finanzierung & bürokratische Hürden
Ein weiteres schwerwiegendes Problem, das GREVIO anprangert, ist die unzureichende Finanzierung von Gewaltschutzorganisationen. Diese sind dadurch mit Unsicherheiten betreffend ihre Existenz beschäftigt. Teils empfindet die Kommission die Finanzierungen auch als zu wenig transparent und mit zu großen bürokratischen Hürden verbunden. Die Kommission fordert eine langfristige und transparente Finanzierung ohne komplizierte Förderanträge und bürokratische Hürden, damit diese Organisationen ihre Arbeit fortführen können.
Die Gewaltschutznovelle 2019 brachte nicht nur Verbesserungen
Zudem kritisiert der Bericht die Umsetzung der Anzeigepflicht für Gesundheitsberufe, die mit der Gewaltschutznovelle 2019 eingeführt wurde. Diese Maßnahme steht ganz klar im Widerspruch zur Selbstbestimmung von Menschen und erhöht das Risiko einer Eskalation. Die GREVIO-Kommission fordert hier eine dringend notwendige Änderung, die den Willen und die Sicherheit der betroffenen Frauen stärker in den Mittelpunkt stellt.
Institutionelle Gewalt und Benachteiligung in Obsorgeverfahren
Der GREVIO-Bericht thematisiert auch die institutionelle Gewalt, der Frauen in Pflegschafts- und Obsorgeverfahren ausgesetzt sind. Immer wieder wird berichtet, dass Frauen in diesen Prozessen benachteiligt werden und ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. Praktiker*innen wissen schon länger: Es besteht ein dringender Reformbedarf, um frauen*feindliche Strukturen in der Justiz abzubauen.
Eskalation der Gewalt: Femizide
Erschreckend ist auch die hohe Zahl an Femiziden, die in Österreich weiterhin ein gravierendes Problem darstellt. Laut dem GREVIO-Bericht hat die österreichische Regierung zwar Maßnahmen ergriffen, um Femizide zu verhindern, doch diese müssen in ihrer Wirksamkeit dringend überprüft werden. Femizide sind der extremste Ausdruck von Gewalt gegen Frauen*, und ihre anhaltende Häufigkeit zeigt, dass die bisherigen Präventionsmaßnahmen nicht ausreichen.
Es besteht Handlungsbedarf!
Der GREVIO-Bericht 2024 macht deutlich, dass Österreich beim Schutz von Frauen* vor Gewalt noch einiges zu tun hat. Österreich muss jetzt handeln, um seine Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention vollständig umzusetzen und damit Frauen* und Mädchen* vor Gewalt zu schützen. Es ist wichtig, dass die Regierung diese Empfehlungen anerkennt und an deren Umsetzung arbeitet. Es braucht dringend langfristige politische und gesellschaftliche Veränderungen.
Denn eines ist klar: Beim Gewaltschutz geht es um den Schutz der Freiheit, der Unversehrtheit und der Leben von Mädchen* und Frauen*. Demnach darf es hier keine halben Maßnahmen geben.
Quellen:
Österreichischer Frauenring: „GREVIO-Evaluierungsbericht kein Grund zur Freude“
GREVIO BERICHT 2024 (englisch)