Margaret Sanger, US-Aktivistin sagte einst: „Keine Frau kann sich frei nennen, die nicht vollständige Verfügung und Kontrolle über ihren Körper hat“. Damit ist eigentlich alles gesagt. Alle Menschen sollten die Freiheit haben, selbstbestimmt über ihr Leben und ihre Gesundheit zu entscheiden…. Oder? Warum wird dennoch noch immer (oder immer wieder) weltweit über das Recht auf Abtreibung diskutiert?
(Männliche) Gesetzgeber bestimmen über den Zugang zu Abtreibung
Die Antwort auf die Frage weiter oben ist wahrscheinlich so einfach wie traurig. Vermutlich wird immer wieder und noch immer über das Recht auf Abtreibung diskutiert, weil vorwiegend männliche Gesetzgeber darüber bestimmen wollen und leider auch können. Ist es nicht total verrückt, dass Personen, ohne die zur Geburt eines Menschen notwendigen Organe darüber entscheiden, was eben Menschen mit diesen Organen dürfen und was nicht. Das kommt quasi „russisch Roulette“ gleich. Du bist mit einem Uterus geboren und kannst auch sonst schwanger werden? Glückwunsch, damit kannst du dich zurücklehnen und Männer über deine Reproduktionsrechte entscheiden lassen. IRONIE AUS. Aber wenn man die Realität so zynisch ausspricht, merkt man nochmal, wie absurd das doch ist. Im österreichischen Nationalrat als gesetzgebendes Organ waren (Stand 25. Jänner 2024) von den 183 Abgeordneten übrigens nur 75 Frauen. Hier fielen übrigens 31 Mandate auf Frauen aus konservativen Parteien.
Seit geschlagenen 150 Jahren wird über dieses Recht „diskutiert“. Dabei fehlen aber oft Fakten, die wir auch seit einigen Jahren bereits wissen und die für sich sprechen. Nach dem „Pearl-Index“ der angibt, wie sicher verschiedene Verhütungsmittel sind, gibt es nur eine Art zu verhüten, die 100 % sicher ist, nämlich gar keinen Geschlechtsverkehr zu haben. Ja, richtig gehört. Alle anderen Verhütungsmittel sind nicht zu 100 % sicher. Außerdem hat der Mann die letzte Entscheidungsmacht, nämlich ob er zum Samenerguss kommen möchte oder nicht. Und dann gibt es auch die furchtbaren Fälle von sexualisierter Gewalt, die dazu führen, dass die Opfer schwanger werden. Ach ja, und dann gibt es noch eine Sache, die Abtreibungsgegner*innen oft vergessen: Eine Abtreibung passiert niemals leichtfertig. Sie macht keinen Spaß und ist ein körperlicher Eingriff mit Auswirkungen auf eben diesen und die Psyche. Und genau aufgrund dieser Fakten gibt es seit den 1970er Jahren Frauenrechtsbewegungen, die weltweit für das Recht auf Selbstbestimmung und Abtreibung kämpfen.
Was passiert, wenn Abtreibung verboten ist?
Überraschung, die Antwort ist: Frauen treiben trotzdem ab. Nur heimlich und unter den gefährlichsten Bedingungen. Jährlich sterben an solchen illegalen und heimlichen Abtreibungen übrigens um die 70.000 Frauen. Habt ihr den Begriff „Engelsmacher*in“ schon mal gehört?
Seit den 1920er Jahren wurden so Personen bezeichnet, die illegale Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen haben. Schlimme Blutungen, Infektionen oder Unfruchtbarkeit waren übrigens die weniger schlimmen Komplikationen nach solchen Eingriffen. Oft wurden diese Abtreibungen mit nicht-medizinischen Instrumenten wie Kleiderbügeln und Stricknadeln oder sogar mit Chemikalien und Hausmitteln (z. B. (giftige) Pflanzen oder Seifenlauge) gemacht. In Ländern, wo Abtreibungen verboten sind, kommen „Engelmacher*innen“ noch immer zum Einsatz. Es wird auch vermutet, dass sie in Ländern mit der legalen Möglichkeit der Abtreibung nach Ablauf der legalen Fristen auch noch tätig werden. Die Auswirkungen des Verbots von Abtreibungen für Frauen sind also erheblich. Wer hat das also mittlerweile verstanden?
Frankreich und Kanada als Vorbild & die internationale Lage zum Recht auf Abtreibung
Frankreich hat es als weltweit erstes Land verstanden. Erfreulicherweise hat Frankreich die „Freiheit zur Abtreibung“ in die Verfassung aufgenommen. Die Abgeordneten beider Kammern des Parlaments stimmten Anfang März 2024 für die entsprechende Verfassungsänderung.
Auch eher vorbildhaft ist die Lage in Kanada. 1988 hat der Oberste Gerichtshof dort das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch ersatzlos gestrichen und es gibt keine Einschränkung mehr, also auch keine Fristen. Und siehe da, die Anzahl der Abtreibungen stieg nach der Entkriminalisierung nicht sprunghaft an, wie Gegner*innen dies befürchtet hatten. Ob Frankreich und Kanada damit ein Vorbild für andere Länder sind? Wir hoffen es. Dennoch müssen wir in die USA schauen, wo das Recht auf Abtreibung zuletzt wieder eingeschränkt wurde (das grundsätzliche Recht auf Abtreibung wurde 2022 abgeschafft und einzelne Bundesstaaten haben danach ein Verbot ausgesprochen). Oder weniger fern nach Malta und Polen, wo es dieses Recht schlichtweg gar nicht gibt.
Abtreibung in Österreich – quo vadis?
In welche Richtung geht die Diskussion über das Recht auf Abtreibung also bei uns in Österreich? Abtreibung ist in Österreich an sich noch ein Straftatbestand, jedoch gibt es Fälle, die Frauen* die abtreiben „straffrei“ gehen lässt. Achtung: „Straffrei“ heißt nicht „legal“. Zum einen ist dies die Fristenlösung bis zur 12. Schwangerschaftswoche, aber auch die medizinische Indikation und die strafrechtliche Indikation zählen dazu. Achja und dann gibt es noch die „Gewissensklausel“. Dort heißt es: „Kein Arzt ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Dies gilt auch für die in gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen tätigen Personen.“
Österreich setzt mit diesen Rechtsbestimmungen ein klares Zeichen, was es von der Selbstbestimmung der Frau* hält…
Passend zu diesen gesetzlichen Bestimmungen hat sich auch eine Praxis hierzulande entwickelt. Zuletzt sichtbar in Vorarlberg im Jahr 2023. Dort gab es nämlich viele Jahre nur einen (!!) Arzt, der Abtreibungen machte. Dieser ging in Pension. Und jetzt? Jetzt sah man in Vorarlberg endlich die Notwendigkeit über Abtreibungen in Krankenhäusern zu sprechen. WOW. Diese Abtreibungen werden nun auch in den Krankenhäusern in Vorarlberg vorgenommen. Aber als Privatleistung mit Kosten um die 720 Euro und dem Statement des Landeshauptmannes Wallner: „Wir bleiben bei unserem klaren Nein zur Abtreibung auf Krankenschein!“. Klar, dass Markus Wallner sich selbst nicht vor 720 Euro und alternativ vor einem lebensgefährlichen Treffen mit der Engelsmacherin fürchten muss, sollte er schwanger werden und das Kind nicht bekommen wollen.
Ihr seht bei der Diskussion um das Recht auf Abtreibung gibt es keinen Stillstand und den darf es auch nicht geben, solange Frauen nicht selbst vollumfänglich über ihre Reproduktionsrechte entscheiden dürfen. Lasst uns daher umso lauter FÜR diese Rechte aktivistisch sein. Ich weiß, dass es sich falsch anfühlt, dass wir Frauen wieder die Verantwortung und Energie für eine Diskussion übernehmen müssen, die einfach nur menschenunwürdig und frauenfeindlich ist. Aber gemeinsam sind wir mehr und können lauter sein, als wir denken. Und um zum Zitat anfangs zurückzukommen: Wir wollen doch komplett „frei“ sein, oder nicht?
Quellen: https://www.dak.de/dak/doktorsex—alles-ueber-sexuelle-aufklaerung/pearl-index-2532786.html#/ https://www.parlament.gv.at/recherchieren/statistiken/personen-statistiken/frauen/NR https://de.wikipedia.org/wiki/Engelmacher https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/18242856/frankreich-nimmt-freiheit-zur-abtreibung-in-die-verfassung-auf https://presse.vorarlberg.at/land/public/Schwangerschaftsabbr-che-k-nftig-im-LKH-Bregenz#:~:text=Die%20Durchf%C3%BChrung%20von%20nicht%20medizinisch,liege%20man%20im%20%C3%B6sterreichischen%20Durchschnitt.