EuGH beurteilt häusliche Gewalt als legitimen Fluchtgrund

Greta Pomberger

29/01/2024

Bild zum Blogbeitrag im Jänner 2024

Wir schreiben das erste Monat im Jahr 2024 und bahnbrechende News gehen durch die Medien. Der Europäische Gerichtshof hat (gefühlt über 70 Jahre zu spät) entschieden, dass „häusliche Gewalt“ ein legitimer Fluchtgrund ist. Man könnte meinen, dieses Urteil sei nur mit positiven Reaktionen unserer Mitmenschen verbunden. Dem ist aber leider nicht so. Schauen wir uns das Urteil und die Reaktionen dazu also an…

EuGH sieht Frauen als „soziale Gruppe“ an

Die Geschichte, die diesem Urteil zugrunde liegt, ist schon voller Grausamkeit. Und das Schicksal einer realen Person. Nämlich einer Kurdin mit türkischer Staatsangehörigkeit, die in Bulgarien um internationalen Schutz ersucht hat.

Laut dieser Betroffenen sei sie zwangsverheiratet worden und habe sich aber scheiden lassen. Die Folge: Ihr Ex-Mann und ihre Herkunftsfamilie hätten sie bedroht. Die Frau hatte Angst, als Opfer eines „Ehrenmordes“ zu sterben.

Der EuGH musste in diesem Fall nun beurteilen, ob der Frau der „Flüchtlingsstatus“ zuerkannt wird. Sprich, ob sie als Drittstaatsangehörige in einem EU-Mitgliedstaat als Flüchtling anerkannt wird und dementsprechend eine Aufenthaltserlaubnis bekommt.

Als Erklärung ist zu sagen, dass internationaler Schutz gewährt wird, indem man Personen den Status als asylberechtigt oder subsidiär schutzberechtigt zuspricht. Mit diesem Schutz wird Völker- und Menschenrecht umgesetzt. Laut Genfer Flüchtlingskonvention sind jene Personen als Flüchtlinge zu sehen, die sich aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Herkunftsstaates befinden und den Schutz des Herkunftsstaates nicht in Anspruch nehmen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen wollen.

Im gegenständlichen Fall stellte der EuGH fest, dass Frauen im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention als „soziale Gruppe“ angesehen werden. „Wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind“, dann kann ihnen laut EuGH der Flüchtlingsstatus zuerkannt werden.

Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, einer Frau im Herkunftsland aber „ernsthafter Schaden“ drohe, etwa die Hinrichtung oder eine andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, dann kann ihr auch subsidiärer Schutz zukommen.

Was dieses Urteil über „Akzeptanz“ von Gewalt aussagt

Spannend ist, dass der EuGH sich auch auf das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt aus dem Jahr 2011 („Istanbul Konvention“) berufen hat. Dieses Übereinkommen ist schließlich erst seit ein paar Monaten für die gesamte EU bindend und dies zeigt nun endlich erste Erfolge.

Tatsächlich kommt diese Einordnung von gewaltbetroffenen Frauen als „soziale Gruppe“ im Jahr 2024 recht spät. Man mag nicht daran denken, wie viele verfolgte und von gewaltbetroffene Frauen wegen dieser „späten Erkenntnis“ in der Vergangenheit ihrem Schicksal im wahrsten Sinne des Wortes schutzlos ausgeliefert waren. Das sagt in Wahrheit sehr viel über die noch immer existierende „Akzeptanz“ von Gewalt in Europa aus.

Ebenso erschreckend, aber ehrlich gesagt nicht überraschend, sind die Reaktionen aus dem rechtspopulistischen Flügel. Die konkreten „Befürchtungen“ dieser Herrschaften wollen wir an dieser Stelle nicht wiedergeben. Sie zeigen aber, dass es aus Sicht dieser rechtspopulistischen Personen keinerlei Gründe geben dürfte, die es rechtfertigen würden Menschen in Notsituationen Schutz zu gewähren. Das lässt sich schließlich aus ihrer Reaktion auf dieses Urteil klar interpretieren. Denn wenn einer von Gewalt betroffenen und mit dem Tode bedrohten Frau kein Schutz gewährt werden soll, wem dann?!

Was wir uns anlässlich dieses Urteils wünschen

Nichtsdestotrotz ist dieses Urteil als ein Meilenstein für die Frauenrechte zu sehen. Es wäre wünschenswert, dass dieses Urteil nun den Weg weist für ähnliche Rechtsprechung und ein besseres Bewusstsein dafür, dass der internationale Schutz von geflüchteten gewaltbetroffenen Frauen nicht diskutabel sein darf!

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