Vielleicht habt ihr es in den Medien gehört. Vor kurzem wurden die Ergebnisse des „Global Gender Gap Report 2023“ veröffentlicht. Wir möchten uns mit euch nochmal in aller Ruhe die wichtigsten Ergebnisse anschauen. Diese zeigen uns nämlich ganz deutlich – es gibt noch viel zu tun in Sachen Gleichstellung.
„Gender Gap“ – Die Lücke existiert!
„Gender Gap“ beschreibt den Unterschied der Lebensrealität der Geschlechter und damit leider auch die Schlechterstellung der Frau. Der „Global Gender Gap Report 2023“ ist ein globaler Bericht, mit dem jährlich untersucht wird, wie weit die Gleichstellung der Geschlechter vorangeht. Es ist wichtig, dass verschiedene Organisationen jedes Jahr die aktuelle Lage in Sachen Gleichstellung unter die Lupe nehmen und die Ergebnisse veröffentlicht werden. Denn nur so, haben wir auch Fakten zur Hand, die unsere Forderungen untermalen und schwarz auf weiß zeigen, dass eine Gleichstellung noch nicht passiert ist. Diese Zahlen lösen eine Diskussion aus. Es wird nicht nur in der Politik darüber diskutiert, sondern auch im privaten Umfeld. Und das ist ganz wichtig, da Gender Gaps auch ein Alltagsproblem sind. Viele Menschen sehen Frauen einfach nicht als gleichgestellt an und behandeln sie dementsprechend. Sei es in der Beziehung oder im Beruf. Eine öffentliche Diskussion erinnert Menschen daran, dass wir alle an der Gleichstellung arbeiten müssen. Das bedeutet, dass wir nicht nur in der Steiermark, nein auch nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Welt feministische Aktionen zur Gleichstellung der Frau brauchen.
Gleichstellung als universelles Menschenrecht
Wusstet ihr, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein universelles Menschenrecht ist? Es ist doch erschreckend, dass das viele Menschen gar nicht wissen. Das sagt auch viel über unsere Gesellschaft und ihren Umgang mit Frauen aus. Auch wenn Gleichstellung wiegesagt ein Menschenrecht ist, dauert es laut dem „Global Gender Gap Report 2023“ noch weltweit 131 Jahre, bis dieses Recht Realität ist. In Europa dauert es noch 67 Jahre, bis alle Menschen gleichberechtigt sind. Diese berechneten Jahre sind aber nur dann richtig, wenn alles so weitergeht wie bisher. Wir sollten also noch lauter sein. Noch fordernder sein, wenn es um Gleichstellung geht. Dann könnte diese auch schon früher wahr werden.
Gleichstellung braucht Repräsentation
Natürlich werden gemeinnützige Organisationen wie wir, oder auch Aktivist*innen weiter für die Gleichberechtigung kämpfen. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn auch genug Politikerinnen für dieses Ziel arbeiten und Frauen in der Politik repräsentieren. Was bedeutet „repräsentieren“? Das soll heißen, dass Frauen genauso in Machtpositionen und Führungspositionen gebraucht werden wie Männer. Meistens wird ihnen aber schon allein der Weg in diese Positionen erschwert oder verweigert. Und dass aufgrund ihres Geschlechts. In der österreichischen Bundesregierung machten die regierenden Frauen 2021 noch 46,7 Prozent aus. Leider waren es 2022 nur noch 35,7 Prozent Frauen in der Bundesregierung. Damit fehlt ganz deutlich die Perspektive der Frauen in unserer Bundesregierung und wir fragen uns, warum hat sich diese Frauenquote so verringert? Entscheiden sich weniger Frauen für die Politik, weil es mit ihrem Privat- und Familienleben nicht vereinbar ist? Oder drängen sich die Männer einfach in den Vordergrund und fördern sich gegenseitig? Bekanntlich werden weibliche Politikerinnen ja auch anders behandelt als ihre männlichen Kollegen. Ihr Privat- und Familienleben wird zerpflückt, genauso wie ihre Optik. Sowieso wird ihnen noch immer (!) emotionales Handeln nachgesagt und sie auf diese Weise ungerecht behandelt. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock musste sich zum Beispiel Zweifel an ihrer Eignung als Kanzlerkandidatin und später Außenministerin anhören, weil sie Mutter von zwei Kindern ist. Wenn man die ehemalige SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi Wagner googelt, kommen bei den häufigsten Sucheingaben: „Kinder“, „Schuhe“, „Frisur“. Das wäre bei einem Mann wohl eher nicht interessant. Ganz besonders erschreckend ist das Mobbing der deutschen grünen Politikerin Ricarda Lang. Sie bekommt wegen ihrer Figur sogar Morddrohungen und wird im Internet übelst beleidigt. Ich könnte mich an keinen Fall erinnern, bei dem ein dicker männlicher Politiker eine solche Behandlung erfahren hätte. Ich kann verstehen, dass das auch viele Frauen davor abschreckt, in die Politik zu gehen.
Mehr Frauen in der Wirtschaft dafür schlechter Verdienst
Wie schon gesagt, braucht es mehr Frauen in Macht- und Entscheidungspositionen. Es reicht nicht, wenn mehr Frauen in der Politik vertreten sind. Wir brauchen sie auch in der Wirtschaft. Auch das Berufsleben ist für Frauen schwerer und weibliche Führungspersonen können hier viel bewirken. Aus diesem Bereich gibt es auch gute Nachrichten. Der Frauenanteil in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen ist von 22,4 Prozent im Jänner 2018 auf 35 Prozent im Jänner 2023 gestiegen. Dazu muss man sagen, dass 35 Prozent erst ein Anfang sind und wir dringend 50 Prozent brauchen. Das wars aber leider auch schon mit den guten Nachrichten. Österreich sticht in der EU auf eine traurige Weise mit seiner Gender Pay Gap von 18,8 Prozent heraus. Im EU- Durschnitt beträgt die Gender Pay Gap übrigens 12,7 Prozent. Die Gender Pay Gap hat viele Ursachen. Wie zum Beispiel die Berufswahl von Frauen und Männern. Es fehlen viele Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen. Zudem haben Frauen noch immer die Pflege und unbezahlte Care-Arbeit zuhause über. Sie können daher nicht so viel arbeiten und leisten, wie die meisten Männer, die damit nur wenig zu tun haben. Wir brauchen dringend verpflichtende Frauenquoten sowie Arbeitsmodelle, die den Lebensrealitäten von Frauen gerecht werden. Dazu brauchen wir auch eine gesetzliche Verpflichtung (bei sonstigen Verlusten) für Männer, damit sie Karenz in Anspruch nehmen. Als Vorbilder könnten, wie so oft die nordischen Länder wie Schweden oder Island dienen, die solche Regelungen schon haben. Sie belegen auch im Gleichstellungsranking den ersten (Island) und fünften (Schweden) Platz von 146 Ländern.
Österreich dümpelt auf Rang 47 vor sich hin…
Gut, diese Formulierung ist vielleicht etwas bissig. Aber das soll sie auch sein. Egal wie überzeugt wir in unserem Aktivismus sind, angesichts dieser Zahlen ärgern wir uns. Es scheint so, dass nur oberflächliche Bemühungen seitens der österreichischen Politik passieren, die zwar schön klingen, aber in der Lebensrealität von Frauen nicht viel verändern. Tatsächliche gesetzliche Verpflichtungen werden meist nicht einmal diskutiert, sondern gleich abgewürgt. Nachdem wir jetzt wissen, wie wenige Frauen in der Politik tätig sind, ist das auch nicht verwunderlich – oder? Ja, diese Aussagen sind anklagend. Aber sie sind auch wahr, denn ansonsten wäre Österreich ja wohl nicht von Platz 21, auf Platz 47 binnen eines Jahres gerutscht.
Wir bitten um eine konstruktive Diskussion!
Die politischen Parteien in Österreich schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. Das Frauenministerium zweifelte sogar die Aussagekraft dieser Studie an. Schade, dass hiermit lieber die Ergebnisse geleugnet und hinterfragt werden, anstatt Frauen zu glauben, dass sie in Österreich noch immer schlechter gestellt sind. Besonders gehört fühlt man sich hier als Frau eher nicht. Ob das Frauenministerium aufgrund des Ergebnisses motiviert ist, noch mehr zu tun? Das ist aufgrund ihrer Reaktion auch fraglich. Hier hilft es auch nicht, die Schuld bei anderen unterdrückten Gruppen wie der LGBTQIA+ Community zu suchen. Dies hat zuletzt FPÖ Frauensprecherin Rosa Ecker mit einer Aussendung getan. Tatsache ist nämlich, dass viele Frauen* dieser Community angehören und, alle queeren Menschen genauso von unseren patriarchalen Strukturen unterdrückt werden. Die Zeiten haben sich gottseidank geändert und Feuer wird nicht mehr mit Feuer bekämpft – wie es so schön heißt. Der intersektionale Feminismus hilft uns dabei, gemeinsam gegen alle Formen der Diskriminierung anzukämpfen. Denn, und das ist Fakt, viele Frauen werden auf mehreren Ebenen diskriminiert. Sie werden nicht nur diskriminiert, weil sie eine Frau* sind, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Sexualität, ihren Beeinträchtigungen, Behinderungen oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit. Eine schwarze lesbische Frau erlebt also mehrere Diskriminierungen gleichzeitig. Wir können keine Gleichberechtigung schaffen, wenn wir nicht gegen alle Diskriminierungsformen wie Sexismus, Rassismus, Ableismus etc. ankämpfen.