Antifeminismus & warum manche Frauen sich dem anschließen

Greta Pomberger

03/10/2023

Feminismus fordert die Gleichstellung von Frauen. Das können doch nur alle Frauen wollen, denn die Gleichstellung ist nachweislich nicht erreicht. Möchte man meinen. Dennoch sind manche wenige Frauen sehr laut, wenn es darum geht, den Feminismus abzulehnen. Warum eigentlich? Wir schauen uns das Ganze anhand eines Gastbeitrags im „Focus online“ an (Link).

„Gleichstellung macht die Welt nicht besser“ – Wie bitte?

Ja, genau mit dieser Aussage beginnt der Gastartikel von Kristina Schröder ihres Zeichens ehemalige deutsche Bundesfamilienministerin und 15 Jahre lang Mitglied des deutschen Bundestages. Diese Aussage muss natürlich auch begründet werden und das macht Schröder. Auch wenn es sehr veraltet und teilweise verzweifelt klingt.

Der Gastbeitrag beginnt mit dieser Zeile: „Werden Frauen noch immer diskriminiert? Die Frauenpolitik behauptet das. Ich wurde schon in meiner Zeit als Familienministerin das Gefühl nicht los, dass die meisten der beklagten „Diskriminierungen“ gar keine sind, sondern auf unterschiedliche Lebensentscheidungen von Männern und Frauen zurückgehen. In freien Gesellschaften müssen und dürfen wir immer wieder auswählen, welchen Weg wir einschlagen. Das beginnt spätestens mit der Wahl der Ausbildung oder des Studienplatzes, geht über die Entscheidung für einen Beruf, einen Partner, für oder gegen Kinder bis hin zu der Frage, wo man leben oder wie viel man arbeiten möchte. Und genau diese Entscheidungen sind es, die in frauenpolitischen Debatten fast immer gnadenlos ignoriert werden.“

Schon allein diese Aussage kann genüsslich in ihre Einzelteile zerlegt und falsifiziert werden. Wenn Schröder sagt, dass die „Frauenpolitik“ behaupten würde, dass Frauen diskriminiert werden würden, dann vergisst sie dabei unzählige internationale und nationale Studien, die zeigen, dass die Diskriminierung der Frau nicht nur eine Behauptung, sondern durchaus die Lebensrealität von Frauen darstellt.

Mag sein, dass die Lebensentscheidungen von Frauen und Männern dazu ihren Beitrag leisten. Nur sollte man sich hier fragen, warum Menschen sich „geschlechtertypisch“ entscheiden?! Wahrscheinlich, weil sie so erzogen wurden, weil es so von ihnen erwartet wird und weil sie sich enormen Problemen (existenziell, emotional und sozial) aussetzen würden, wenn sie aus diesem System ausbrechen wollten. Dazu muss man auch sagen, dass man als Familienministerin eine sehr privilegierte Position hat, wie man die Lebensrealitäten von anderen Personen wahrnimmt und beurteilt. Wahrscheinlich war es bei Schröder und ihrem vermutlich privilegierten Umfeld so, dass sich diese Frauen für oder gegen eine Ausbildung/Studium/oder Kinder entscheiden konnten und sich dabei aufgrund ihrer Ressourcen frei fühlen konnten. Das ist aber keinesfalls die Regel. Die meisten Frauen haben diese Freiheit nicht. Daher ignoriert nicht die „Frauenpolitik“ die Entscheidungen der Frauen, sondern privilegierte Personen, die über den eigenen Horizont nicht hinwegschauen (wollen). Leider macht es Privilegierungen aus, dass die Menschen, die sie haben, sich dem meistens nicht bewusst sind.

Die Geschlechter sind nicht verschieden

Einerseits meint Schröder, die Aussage Simone de Beauvoirs „Man ist nicht als Frau geboren, man wird es“ müsse empirisch bewiesen sein. Sie scheint also zu meinen, dass die Forderung nach Gleichstellung überhaupt nur dann eine Grundlage hätte. Um ihre eigene Meinung zu untermalen, schmeißt Schröder aber folgende Aussage mit Bezug auf das biologische Geschlecht in den Raum: „Die stärkere Neigung von Männern zu technischen Berufen, der Wunsch vieler Frauen, nach der Geburt eines Kindes weniger zu arbeiten, Muster der Partnerwahl, nach denen junge Frauen und erfolgreiche Männer bevorzugt werden – alles Kultur, nicht Natur, alles Erziehung, nicht Anlage.“  Hier scheint die Autorin aber leider nicht zu wissen, dass das System der Binärität (strikte geschlechtliche Zweiteilung in „männlich“ und „weiblich“) sogar in der Biologie als überholt gilt. Man lese dazu beispielsweise Claire Ainsworth im Artikel „Sex redefined“. Insofern hinkt dieser Bezug auf das biologische Geschlecht und damit einhergehende Unterschiede zwischen Mann und Frau, die nicht anerzogen sein sollen.

Ebenso spannend ist auch diese Aussage von Schröder: „Die Forderung nach Gleichstellung will aber genau das nicht akzeptieren. Sie schließt aus Ungleichheit auf Ungerechtigkeit und fordert daher staatliches Eingreifen. Dabei wurde der Beweis, dass sich etwa die geringere Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen hauptsächlich durch Diskriminierung und nicht doch durch unterschiedliche Präferenzen der Geschlechter erklären lässt, nie erbracht.“ Sie ist deshalb so spannend, weil sie schnell entkräftet werden kann. Erstens weil Schröder überall empirische Beweise und Daten fordert, damit frauenpolitische Forderungen ihre Berechtigung hätten und aber selbst für ihre eigenen Aussagen keinerlei dieser Quellen hat. Sogar aktuelle Wissenschaft scheinbar ignoriert. Zweitens ergibt sich die angesprochene „Ungleichheit“ der Leben von Frauen und Männern aus der „Ungerechtigkeit“, die Frauen erfahren. Es stehen ihnen eben nicht alle Türen offen. Und ganz klar, wie soll ein Beweis erbracht werden, wenn es faktisch für die meisten Frauen nicht möglich ist (und damit meine ich, dass sie nicht mal den leisen Funken Hoffnung verspüren), ein so privilegiertes Leben wie ein Mann zu führen? Die Frage, warum also nicht mehr Frauen eine Führungsposition anstreben, dürfte damit wohl beantwortet sein.

„Männer chancenlos?!“ –  Wohl eine persönliche Verdrängung

„Schön“, wie Schröder zum Schluss noch behauptet: „Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist erreicht. Spätestens seit der Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe in Österreich und Deutschland gibt es keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mehr in unseren Rechtssystemen.“ Natürlich wollten Frauen nichts sehnlicher, als den Dienst an der Waffe leisten zu dürfen. Das zeichnet natürlich Gleichstellung und die Erfüllung von Menschenrechten in der Praxis aus. Ironie ende. Also im Ernst, diese Behauptung ist so polemisch, dass man sie eigentlich als solche stehen lassen müsste. Das können wir aber nicht. Daher nur der kleine Hinweis an die Autorin, dass die Zulassung der Frau an die Waffe wohl eher mit dem geringen Interesse der Männer am Heer zu tun haben dürfte und weniger mit Kulanz gegenüber von Frauen. Frauen dürfen also froh sein, wenn sie endlich Aufgaben erledigen dürfen, an denen Männer (schon lange) kein Interesse haben. Und bevor wir diesen Zugang jetzt als Argument dafür nehmen, dass Gleichstellung erreicht sei und Männer „chancenlos“ seien, bleiben wir doch lieber bei empirischen Zahlen, nicht wahr?

Warum ist „Antifeminismus“ so gefährlich?

Versteht uns nicht falsch. Dieser Gastbeitrag dieser Autorin tut ihre persönliche Meinung kund. Die darf auch jeder Mensch haben. Dennoch ist es problematisch, wenn Personen mit Macht, bzw. Personen, die einmal eine Machtposition innehatten und davon noch immer zehren, ihre doch radikale Meinung öffentlich einem so großen Publikum kundtun. Stellt man den Feminismus in Frage, dann stellt man Menschenrechte in Frage und das können und wollen wir keinesfalls unkommentiert stehen lassen. Wenn ihr euch dafür interessiert, warum manche Menschen „Antifeminismus“ betreiben und was das heißt, dann lest mehr dazu auf unserer Website!

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